Gymnopédies
Erik Saties drei „Gymnopédies“ für Solo-Klavier gelten heute weitgehend als Präzedenzfälle für Ambient-Musik der Neuzeit: Sie sind traumgleich, rätselhaft und gefühlsneutral, wenn auch für viele von unergründlicher Traurigkeit durchtränkt. Sie sind geprägt von einem meditativen Sounddesign, das ähnlich einer tickenden Uhr eher im Hintergrund als im Vordergrund unseres Hörens funktioniert. Der Vergleich wird durch Saties eigene Beschreibung seines Werks als klangliche „Möbel“ noch verstärkt. Seine genaue Absicht in den „Gymnopédies“ ist dabei so geheimnisvoll wie der Titel. Der erfundene Name ist wahrscheinlich an ein antikes griechisches Fest angelehnt, bei dem junge Männer nackt tanzten. Und tatsächlich suggeriert die Musik einen tranceartigen Walzer, der durch drei verwandte Stücke driftet – die alle mit dem Prädikat „langsam“ versehen sind und jeweils als „schmerzhaft“, „traurig“ und „ernst“ weiter kategorisiert werden. Dabei erforschen sie alle ein gemeinsames Thema und eine gemeinsame Struktur – wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die „Gymnopédies“ wurden 1888 mit einer provokativen Schlichtheit geschrieben, die die komplexe Dramatik so vieler romantischer Klavierstücke des 19. Jahrhunderts in Frage stellt. Durchgehend hörbar ist eine modale Melodie, die sich wellenhaft auf und ab bewegt, abgefedert durch einen sanft schaukelnden Bass und Off-Beat-Akkorde. Das hypnotisch repetitive Stück hat zweifellos viele spätere Avantgarde-Komponist:innen von John Cage bis zu den Minimalist:innen beeinflusst. Und zu Saties Zeiten beeindruckte es Claude Debussy so sehr, dass er die „Gymnopédie Nr. 1“ und „Nr. 3“ für Musikensembles bearbeitete.