Thomas Tallis

Die religiösen Reformen im England des 16. Jahrhunderts prägten einen Großteil von Thomas Tallis’ langem Leben. Als Komponist und königlicher Diener verfolgte er in dieser wechselhaften Zeit geschickt seine Karriere. In seiner Kindheit galt das Königreich als eine Bastion des römischen Katholizismus, als heiliger Ort mit Klöstern, Schreinen und Pilgerzentren. Tallis, um 1505 geboren, begann seine Karriere in den 1530er-Jahren als Organist, der bei Klostergemeinschaften in Kent und in Waltham Abbey angestellt war: Einrichtungen, die aufgelöst wurden, als Heinrich VIII. mit der römischen Kirche brach. Seine frühesten Kompositionen, darunter die monumentale Votivantifon „Salve intemerata“ und die überaus schöne Motette „Sancte Deus“, entstanden aus dem beeindruckenden Erbe der spätmittelalterlichen englischen Kirchenmusik. Tallis trat in den frühen 1540er-Jahren in die Königliche Kapelle ein, vielleicht auf Empfehlung von Thomas Cranmer, dem Erzbischof von Canterbury, und diente später über 40 Jahre lang vier Monarch:innen. Tallis stellte seine persönliche religiöse Zugehörigkeit, höchstwahrscheinlich zum katholischen Glauben, zurück, um einige der ersten und schönsten Stücke für die strengen Gottesdienste der protestantischen anglikanischen Kirche Edwards VI. zu schaffen. Er reagierte begeistert auf die Rückkehr des Katholizismus unter Maria Tudor, für die er die Messe „Puer natus est nobis“ komponierte, die wahrscheinlich am Adventssonntag 1554 in Anwesenheit der Königin und ihres Mannes, dem späteren Philipp II. von Spanien, uraufgeführt und an die musikalischen Anforderungen der Church of England von Elisabeth I. angepasst wurde. Mit seiner 40-stimmigen Motette „Spem in alium“, die um 1570 geschrieben wurde, um ein vergleichbares Werk des italienischen Aristokraten Alessandro Striggio zu übertreffen, unterstrich Tallis seinen Nationalstolz. Bis zu seinem Tod im Jahr 1585 lieferte er lateinische Motetten wie „O nata lux de lumine“ und „Salvator mundi“ für Elisabeths private Andachten sowie mitreißende Psalmvertonungen und englische Hymnen für die neuen offiziellen Rituale ihrer reformierten Kirche.