Alone Together

Mutige, kreative Ideen zu haben ist eine Sache, sie in die Tat umzusetzen, eine ganz andere. Der deutsch-kanadische Cellist Johannes Moser hat durch unermüdliche Arbeit und mithilfe der gestochen scharfen Technologie von 3D‑Audio mit Dolby Atmos beides mit „Alone Together“ erreicht. Sein neuestes Album betritt Neuland für einen klassischen Titel, indem es die scheinbar unendlichen Möglichkeiten der Mehrspuraufnahme nutzt. Es enthält sechs speziell in Auftrag gegebene Kompositionen sowie Arrangements für acht einzelne Cellostimmen von Arvo Pärts „Fratres“ bis zu Samuel Barbers „Adagio for Strings“ – inklusive so ziemlich jedes Celloklangs und jeder Technik, die man sich vorstellen kann.„Alone Together“ entstand in den ersten Monaten der COVID-Pandemie. „Ich wollte herausfinden, wie vielfältig man ein Album mit nur einer Person umsetzen kann“, sagt Moser gegenüber Apple Music. Drei Themen flossen zusammen. Das erste entsprang seinem Wunsch, die klangliche Schönheit der Musik für Cello-Ensemble in seine mehrspurigen Arrangements zu destillieren. Außerdem wollte er neue Kompositionen mit Lieblingsstücken für Cellos verbinden, darunter John Poppers „Requiem“ und Pablo Casals‘ Arrangement des traditionellen katalanischen Wiegenlieds El cant dels ocells („Song of the Birds“). „Der dritte Punkt, an den wir dachten, war Dolby Atmos und der räumliche Aspekt der Musik“, fügt er hinzu. Klassische Musiker:innen, so Moser, waren schon immer die Ersten, die innovative Technologien eingesetzt haben. Er verweist auf die „Hammerklaviersonate“, Ludwig van Beethovens eindrucksvolle Antwort auf die Fortschritte im Klavierbau. Die Aufgabenstellung für Mosers „Alone Together“ wurde direkt von 3D‑Audio und der Möglichkeit, Klang in drei Dimensionen aufzunehmen, beeinflusst. „Jetzt, wo wir [3D‑Audio] nutzen und die Leute die Möglichkeit haben, sich das in ihren eigenen vier Wänden anzuhören, sollten Komponist:innen natürlich Musik kreieren, die sich für diese Art von Erlebnis eignet.“Johannes Moser ist so etwas wie eine Rarität in der internationalen Cello-Community. Er spielt nicht nur mit den führenden Orchestern der Welt, sondern ist auch ein leidenschaftlicher Verfechter der zeitgenössischen Musik und des Abbaus von Barrieren, die Newcomer:innen allzu oft den Weg in die heiligen Hallen der Klassischen Musik versperren. Er lehnt die Überzeugung ab, die einst von der musikalischen Avantgarde in Deutschland geteilt wurde, dass zeitgenössische Musik nur dann einen Wert hat, wenn sie, wie er es ausdrückt, „befremdlich und irgendwie anstößig“ ist. Dennoch sind seine Auftragswerke alles andere als anspruchslos zu hören, vor allem „Somewhere There Is Something Else“ von der Pulitzer-Preisträgerin Ellen Reid und „Lobby Music“ von Ted Hearne. Letzteres mischt Hyperpop mit verstörenden Klängen, die im August 2020 inmitten der Unruhen in Kenosha, Wisconsin, aufgenommen wurden, als der 17-jährige Kyle Rittenhouse zwei unbewaffnete Demonstranten erschoss. Reids Stück nutzt die Surround-Sound-Komplexität von 3D‑Audio, während das für den GRAMMY nominierte Stück „Ogee“ von Timo Andres, das Moser zu Hause aufgenommen hat, mit der Idee der ewigen Wiederholung spielt, indem es Sound-Loops für acht Cellostimmen enthält.Moser spielt jedes Stück auf höchstem Niveau, sei es auf seinem Andrea-Guarneri-Instrument – einem Schatz aus dem Jahr 1694, der einst Julius Klengel, dem Komponisten des letzten Stücks des Albums, „Hymnus“, gehörte – oder auf einem von zwei elektrischen Cellos des 21. Jahrhunderts. Und obwohl die Aufträge beachtliche technische Herausforderungen darstellten, erwies sich Mosers strenges Arrangement von Arvo Pärts „Fratres“ als am schwierigsten. Es dauerte zwölf Stunden, um den idealen Take des neunminütigen Stücks aufzunehmen. „Als wir alle müde Augen hatten, spürten wir, wie der Geist des Stücks von uns Besitz ergriff. Das war wirklich erstaunlich. Irgendwann ist man bei jeder Aufnahme erschöpft, beschwert sich oder benutzt Schimpfwörter, die man nicht verwenden sollte. Aber bei „Fratres“ war es anders. Wenn etwas nicht funktioniert hat, haben wir einfach noch ein Take gemacht und noch eins und den Prozess wiederholt, bis alles im Flow war.“ Ohne das Label Platoon, das in der Vergangenheit unter anderem mit Billie Eilish und Jorja Smith wegweisende Projekte realisiert hat, wäre das Album nicht möglich gewesen. „Es ist unvorstellbar, ein Label und ein Studio zu finden, das bereit ist, diesen Prozess zu unterstützen und die Ingenieure, die Technologie und den Raum zur Verfügung zu stellen“, sagt Moser. „Das Platoon-Team ist sehr engagiert und offen und will die Dinge anders machen. Ich glaube wirklich, dass das die Zukunft ist.“